Für Interessierte hier ein Artikel von mir, der in dem Newsletter der Hochschule für Musik und Tanz Köln veröffentlicht wurde:

Coaching-Angebot an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal

„Erfolg in Schulen und Studium ist weder Zufall, noch Schicksal, sondern Know-how des Wissenserwerbs und der Wissensanwendung! Erfolg ist aber auch eine Frage von Entscheidungssicherheit, Motivation, Lern- und Lebensfreude, Selbstwertschätzung, des inneren Wohlbefindens ohne Zweifel und Ängste“ (1).

Die erwähnten psychosozialen Aspekte spielen in einem Musikstudium eine besonders große Rolle, da sich beim Musizieren die mental-emotionale Verfassung des Spielers bzw. Sängers häufig massiv auf dessen sensomotorische Fähigkeiten wie auch auf seine Ausdrucksfähigkeit auswirkt. Oft ergeben sich im Studium daher Probleme (unabhängig davon, wodurch sie entstanden sind), die davon Betroffene beim Musizieren stören, verunsichern oder sogar „aus der Bahn werfen“ können.

Konflikte/Probleme

Ein Teil der Probleme entsteht durch den Status-Wechsel vom Schüler zum Studierenden und den damit verbundenen persönlichen Umwälzungen, Startschwierigkeiten oder persönlichen Integrationshindernissen. Andere Schwierigkeiten ergeben sich durch die Wahl des richtigen Studien-Schwerpunkts: klassisches Studium oder doch lieber Jazz; eine künstlerische oder/und eine pädagogische Ausbildung; „nur“ ein künstlerisches Musikstudium oder zusätzlich auch ein wissenschaftliches Studium. Als belastend werden manchmal die sozialen Beziehungen zu bestimmten Lehrern oder Kommilitonen empfunden.
Innere Konflikte spielen eine Rolle, wie z.B. die mangelnde Motivation zu üben, die Entscheidung, eventuell einen Lehrer- bzw. Hochschulwechsel vorzunehmen bis hin zur Bewältigung von persönlichen Schicksalsschlägen während des Studiums (z.B. Tod eines Elternteils). Aber vor allem sind natürlich die musikausbildungs- spezifischen Fragen von Bedeutung: Wie gehe ich mit Auftrittsangst bzw. Bewertungsangst um, wie kann ich mich emotional-mental auf eine Aufnahmeprüfung / einen Wettbewerb / ein Probespiel vorbereiten? Wie kann ich das misslungene Konzert / Probespiel verarbeiten und daraus lernen? 

Wo gibt es Musikercoaching?

Nur an wenigen deutschen Musikhochschulen existiert die Möglichkeit eines institutionalisierten Coaching-Angebotes, das allen Studierenden offen steht und von dem sie Hilfe und Unterstützung in den oben beschriebenen Situationen erhalten können. An manchen Hochschulen (wie auch an Universitäten) gibt es dieses Angebot als Bestandteil eines Mentoring-Programmes. Dieses steht in der Regel aber nur besonders ambitionierten, fortgeschrittenen oder begabten Studierenden wie z.B. DoktorandInnen zur Verfügung. Die entsprechenden Angebote findet man entweder in den Carreer-Centern einzelner Musikhochschulen oder z.B. im Orchester-Zentrum NRW. In den Akademien der großen Orchester, wie z.B. in der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker gehören Coaching-Angebote zur selbstverständlichen Versorgung der Studierenden.
Der Arbeitsmarkt für Musiker hat sich in den letzten Jahren in Deutschland stark verändert, so dass der Druck besonders auf diejenigen, die in ein Orchester oder an eine Bühne wollen, immer größer geworden ist. Auch die starke inhaltliche Reglementierung und die enge zeitliche Strukturierung der Bachelor- und Masterstudiengänge belasten die Studierenden zusätzlich. Daher gehört zu einer zeitgemäßen Ausbildung ein Angebot zur psycho-sozialen Unterstützung der Studierenden. Besonders auch für eine Wettbewerbs- oder Probespielvorbereitung ist der Musiker-Coach der geeignete Fachmann.

Musikercoaching am Standort Wuppertal

Am Standort Wuppertal existiert seit 2010 ein Ergänzungsangebot, das allen Studierenden der Hochschule offen steht. Die Bedürfnisse der einzelnen Personen entscheiden darüber, welche Dauer das Coaching in Anspruch nimmt. Dazu vier Beispiele:

  1. Eine Studierende mit einem erfolgreich abgeschlossenem künstlerischen Bachelor-Studium und einer erfolgreich bestandenen Master-Aufnahmeprüfung an einer anderen Hochschule hat bereits vor Beendigung ihres ersten Studiums eine feste Stelle als Musikpädagogin an einer Musikschule bekommen. Gegenstand des Beratungsgesprächs war die Problematik, die zukünftige Berufstätigkeit mit einem Weiterstudium an einem weiter entfernten Ort zu koordinieren oder sich nur für eine Option zu entscheiden. Nach Abwägen der Vor- und Nachteile der Entscheidungsvarianten fand die Studierende zu einer für sie im Moment adäquaten Lösung. Sie entschied sich für die Musiklehrer-Laufbahn.
  2. Ein Studienanfänger entwickelte in seinem ersten Semester, eine für ihn bis dahin nicht gekannte Unlust zu üben. An seiner Musikschule wurde er von einem Lehrer unterrichtet, der an dieser Schule als extrem streng angesehen war und deswegen häufig Gegenstand von Kritik und übler Nachrede war. Um seinem Lehrer den Rücken zu stärken und dessen Ruf zu verteidigen, übte der Schüler besonders engagiert und hatte dadurch bei Wettbewerben herausragende Erfolge. Im Gespräch wurde dem Studenten deutlich, dass er in seiner Musikschulausbildung vor allem für seinen Hauptfachlehrer geübt hatte. Diese extrinsische Motivation entfiel im Hochschulstudium.
  3. Eine Sopranistin hatte im Studium plötzlich mit Stimmproblemen in der Höhe zu kämpfen. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie ein sehr gutes Abitur abgelegt hatte und sie auch überlegt hatte, ein naturwissenschaftliches Studium zu absolvieren. Sie entschied sich für das Musikstudium. In der Zeit der stimmlichen Krise, wurde sie unsicher, ob sie die richtige Studienwahl getroffen hatte. Diese Desorientierung wurde durch ihre Familie verschärft, die in dem Musikberuf eine weniger sichere Lebensgrundlage sah. Durch das Coaching wurde ihr erneut bewusst und spürbar wie gerne sie sang und wie wichtig ihr diese Ausbildung war. Durch diese Klarheit wurde sie stimmlich wieder sicherer und sie errang daraufhin einen guten Platz bei einem Gesangwettbewerb. Sie schloss das Bachelorstudium mit der Note 1 ab. Inzwischen ist sie an einer Universität eingeschrieben und hat in derselben Stadt einen Stückvertrag an der dortigen Oper erhalten.
  4. Eine Gesangstudierende im ersten Semester steht vor ihrem ersten öffentlichen Auftritt. Sie entwickelt eine bisher nicht gekannte Auftrittsangst, da bei diesem Anlass auch schauspielerische Qualitäten von ihr gefordert werden. Dies ist für sie deshalb besonders belastend, da sie vor dem Musikstudium bereits ein Schauspielstudium absolviert hat und auf Grund dessen eine extrem hohe Erwartungshaltung von Seiten ihres Professors und ihrer Kommilitonen empfindet. Dieser Druck wirkt sich in den Proben bereits negativ aus. Im Coaching wurden diese belastenden Empfindungen aufgearbeitet, so dass ihr erster Auftritt zu einem Erfolg wurde.

An diesen Beispielen wird deutlich, daß ein Angebot für Studierende sehr unterschiedliche Inhalte und unterschiedliche Zielrichtungen haben kann. Dabei steht jeweils die Fragestellung der Studierenden im Vordergrund und der Coach wählt die passende Form der Unterstützung, orientiert an der Zielsetzung des Studenten. Eine solche Klärung der aufgezeigten Probleme hilft, gute Studienergebnisse zu sichern, verhindert Studienabbrüche und verbessert auch das „Betriebsklima“ an der Hochschule.

Ausbildung und Kompetenzen eines Musiker-Coaches

Ein Musikercoach ist in zweifacher Weise kompetent: er hat in der Regel ein Musikstudium absolviert und er ist psychotherapeutisch ausgebildet bzw. hat eine Coachingausbildung absolviert. Für das Coaching von Musikstudierenden ist es von großem Vorteil, wenn der Coach sowohl mit der Ausbildungssituation an Musik- und Musikhochschulen, als auch mit der späteren Berufspraxis vertraut ist, da ein Großteil der geschilderten Probleme sehr spezifisch berufsbezogen sind.

Aufgaben und Vorgehensweise eines Coachs für Musikstudierende sind vielfältig: er führt das Gespräch so, dass der Klient („Coachee“) die Ursache für eine erlebte Problematik erkennt, fähig ist, neue Perspektiven einzunehmen und daraus neue Ziele abzuleiten, die dann zu einer tragfähigen Lösung führen. Er unterstützt den Musiker darin, seine eigenen Ressourcen und Fähigkeiten zu erkennen und anzuerkennen, um damit sein Selbstwertgefühl, wie auch das Gefühl der Selbstwirksamkeit zu stärken. Nicht selten ist der Coach bei einem schwelenden zwischenmenschlichen Konflikt über einen längeren Zeitraum Gesprächspartner, um dem Studierenden behilflich zu sein, seine Gedanken zu ordnen und emotionale Distanz zu der Thematik zu erlangen. Ein wichtiges Ziel des Coachingangebotes ist es, den Studierenden Grundlagen und Methoden des emotionalen Selbstmanagements zu vermitteln, die sie zu einem autarken lösungsorientierten Handeln befähigen.

(1) Franz Sedlak, Psychologie und Psychotherapie in Schule und Studium, Wien/New York, 2007